Liebe Mitspielerinnen und Mitspieler,
nach knapp neun Jahren werde auch ich - wie leider so viele vor mir - Hyborien den Rücken kehren.
Ich will ein paar "kurze" Worte verlieren.
Age of Conan ist meiner bescheidenen Meinung nach noch immer einer der besten oder sogar das beste MMO überhaupt. Die spannende Kampfmechanik, die (jdf. für PvE) gut balancierten Klassen, die realistischen Animationen, der grimmige Stil der Welt, die auch 2017 noch ansprechende Grafik - viele Spiele können AoC nicht einmal in einer Kategorie das Wasser reichen, geschweige denn auf voller Breite.
Und doch... finde jedenfalls ich keine Freude mehr im Spiel. Ob es an meiner generellen Malaise liegt oder am Spiel, vermag ich nicht zu sagen, doch gibt das Spiel zumindest genügend Grund zur Annahme, dass das auslösende Moment dort liegt.
Community-Engineering
In vielen Bereichen ist Funcom meiner Meinung nach den Weg des Technikers gegangen, nicht des Unterhalters - und wer ein Spiel entwickelt, sollte sich als Unterhalter verstehen, nicht als Techniker.
Funcom scheint erkannt zu haben, dass die Community in diesem Spiel sich gespalten hat in "Pros" und "Casual". Das ist dem Genre zwar eigen, aber ungünstig. Denn so muss man Content für zwei Spielergruppen produzieren, und eine wird sich immer benachteiligt fühlen.
Die Eskalation an Ausrüstung/AA-Skills und spielerischem Können hat es zunehmend unmöglich gemacht, neuere Spieler in fortgeschrittenen Content zu integrieren. Während der Veteran über Keshatta-T0-Farmen, Onyxkammer, T1 usw. gemütlich angelernt wurde, springt der Nachzügler bei T4 in sehr, sehr kaltes Wasser, und das sowohl in Bezug auf die Stärke des Charakters als auch die eigene Erfahrung.
Parallel dazu zwingen steigende Herausforderungen dazu, erfahrene, aber weniger talentierte Spieler auszusieben.
Wie kacke ist das? Ich will einem Freund oder einer Freundin nicht sagen, zukünftig nicht mehr mit ihm/ihr zu spielen, weil er/sie zu schlecht im Spielen ist oder sich dabei zu wenig Mühe gibt. Das ganze hier ist ein - bei allem Respekt - relativ dämliches Freizeitvergnügen, bei dem man sein Gehirn auch ruhig einmal abstellen können dürfen sollte.
Am evidentesten war diese Spaltung beim PvP, wo dann die Gruppenanmeldung abgeschafft wurde, um Stammgruppen zu verhindern. Balance sollte entstehen dadurch, dass gute und schlechte Spieler zufällig durcheinandergerührt werden. Viele PvPler haben das Funcom nie verziehen, weil das Spiel als Gruppe für sie wichtig war. Der Content war aber als Gruppe nicht mehr bzw. nur noch im belohnungsfreien Trainingsmodus zugänglich.
Und dasselbe haben wir im PvE gesehen: Weltbosse und Raidfinder haben dieselbe Wirkung. Sie bewirken zwar, dass Spieler aller Couleur zusammengeworfen werden - das ist gut. Aber sie machen auch praktisch unmöglich, Content in einem selbstbestimmten Freundeskreis zu erleben. Es wird in Stille nebeneinander her gearbeitet, statt gemeinsam Spaß zu haben.
Diese Art des Encounterdesigns macht durch Spawnrushing und Raidfinder-Wipe-Buff alles schaffbar, wenn man nur lange genug dabei bleibt. Aber sie verwandeln auch Herausforderung zu Mühsahl, ersetzen das befriedigende Gefühl, etwas geschafft zu haben, durch das erlösende Gefühl, ein Leiden zu beenden.
Statt Beherrschung des Charakters wurde zunehmend die Beherrschung des Encounters wichtig. Da die Klassen meines Erachtens die Stärke des Spiels sind, aber - um das mal zurückhaltend zu sagen - jedenfalls nicht alle Encounter, hat man sich damit von den eigenen Stärken entfernt.
Die Ziele, die Funcom verfolgt hat, teile ich zu 100%. Aber der Weg war, meiner bescheidenen Meinung nach, nicht richtig. Statt vertikaler Progression hätte man horizontale Progression betreiben sollen: Ein T2-Raid muss nicht wesentlich schwieriger sein als ein T1-Raid, sondern nur neu. Es ist besser, innerhalb desselben Encounters einige wenige Positionen für Veteranen und freakige Superspieler zu schaffen, statt - wie es später zunehmend auftrat - von jedem einzelnen Spieler Höchstleistung zu erwarten.
Ein Raid muss immer ausreichend Platz bieten auch für die, die das Spiel nur mit einer Hand, auf einem Laptop mit Briefmarkenbildschirm, einem Blick auf dem schlafenden Nachwuchs oder ohne großartige Erfahrung spielen. Das aber ist zunehmend nicht mehr der Fall und hat viele, viele Spieler vertrieben oder uns vertreiben lassen.
Funcom
Was soll man sagen? Die Preispolitik, der Itemshop, die grauenvolle Kundenkommunikation, all die nie wahrgemachten Ankündigungen... traurig. Die einzige Stetigkeit war lange Zeit der stetige Wechsel an Personal, heute die Abwesenheit von Personal.
Es gibt auch gute Punkte - der GM-Support ist hundertmal besser als früher. Aber ein zweiter fällt mir schon nicht mehr ein, um den Plural von "Punkte" zu rechtfertigen.
In Donnys Worten: Fake announcements. Sad.
Rückblick
Neun Jahre und so viele tolle Leute. Die Raben, Orda Boia, Nachtwind, Midgard - wenn ich auf vier Gilden und hunderte von Spielerinnen und Spielern zurückblicke, die gekommen und gegangen sind, wird die Welt ein wenig unscharf. Ich hatte die Freude, hier viele Freunde und Freundinnen zu finden, mit denen man täglich gemeinsam Orks (oder ihre hiesigen Äquivalente) verprügelt und ihr Zeug weggenommen hat, für mich immer noch ein Grundpfeiler eines guten Spiels. Aber inzwischen sind dann noch mehr geganen, als je neue dazukommen werden. Wenn ich heute auf einen Raidplaner blicke, übertönt die Abwesenheit so vieler für mich die Anwesenheit derer, die noch da sind. Hyborien ist, jedenfalls für mich, wie eine Party auf einem Friedhof geworden. Früher oder später vergiftet der Anblick der Vergänglichkeit das, was an Freude noch geblieben ist.
Abschied
Wenn ich versuchen würde, hier alle aufzulisten, von denen ich mich verabschieden möchte, käme ich nie zum Ende. Und als Raidleiter seit... äh... vielen Jahren habe ich mit mehr Leuten gespielt, als ich überhaupt aufzählen könnte. Daher nur ganz abstrakt Euch allen: Macht's gut und findet vielleicht noch den Spaß, den ich hier verloren habe. Danke für all die schönen Jahre - mir hat die Zeit hier viel gegeben.
Ich weiß noch nicht genau, ob ich gelegentlich noch einmal reingucken oder sogar vollständig zurückkehren werde. Normalerweise ragequitte ich Sachen, was dann ziemlich permanent ist. Aber einen "sadquit" wie diesen hier hatte ich noch nicht, weswegen es an Erfahrung fehlt. ;-) Den Abschied will ich daher erst einmal nur Pause nennen.
Danke an Kant, unseren Raidern weiter eine Heimat zu geben.
Aber vielleicht doch ein letztes Mal will ich sagen in Erinnerung an die in meiner Erinnerung schönste Zeit...:
"Meine sehr verehrten Damen und Herren! Willkommen zum Nachtwind und Freunde Samstag Nachmittag T1..."